Asien 2010 | Saigon oder „Charly und die Räuber“

In Reisen by Michael Brändle

Nach einem ruhigen und erholsamen Seetag weckt mich der Wecker erbarmungslos um kurz nach 7. Wenn man sich zeitzonentechnisch immer noch in Singapur befinden würde. Ich stehe also zügig auf, lege meine Uhr an und versuche auf dem Weg nach oben an der Rezeption meine Landgangskarte für den heutigen Ausflug abzuholen. Sorry – aber die gibt es erst um 7:00 Uhr. Ich schaue erst sie verständnislos an, blicke auf meine Uhr, und schaue mich selbst verständnislos im Spiegel an: “Oh äh, da hab ich wohl noch eine falsch Zeit auf meiner Uhr” [Merke: Wenn sich ein Iphone synchronisiert mit einem Laptop – dann übernimmt es immer die Zeitzone des Laptops. Auch wenn diese vielleicht eine klitzekleine Stunde danebenliegt]. Immerhin habe ich damit die spektakuläre Durchfahrt unter der Brücke mitbekommen. Und ausgiebig Zeit fürs Frühstück. Anschließend ging es mit dem Bus dorthin, wo viele Amerikaner nie hin wollten: In das kleine Stückchen Urlaub, in dem ein paar Partisanen (heute würde man sie vermutlich Guerillakämpfer oder als Terroristen bezeichnen) den ausrüstungstechnisch weit überlegenen Amerikanern im Vietnamkrieg empfindliche Verluste zugefügt haben.

Der große taktische Vorteil der Vietnamesen bestand vor allem aus zwei Dingen:

Ihre Körpergröße: Dank 250 Kilometern Tunnelsystem konnte man gefahrlos sich auf einem riessigen Gelände unter dem Schutz der Erde bewegen. Die Tunnel waren so klein, dass normal gewachsene Menschen keine annähernde Chance hatten, da sich auch nur irgendwie zurechtzufinden. Außerdem waren sie durch Spreng- und andere kreativen Fallen gesichert.

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Ihren Mut: Da Sprengstoff ein knappes Gut war, holte man sich in aus nicht explodierten Granaten und Bomben der Amerikaner. Mit der Säge. Mit einer ganz normalen Eisensäge, etwas Wasser zum Kühlen und das wars. Damit wurden dank selbstgebastelter Sprengsätze auch der ein oder andere Panzer zum Stehen gebracht – und vermutlich auch oft genug die eigene Stellung in die Luft gejagt.

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Zum Abschluss gab es noch eine kleine Shooting-Range mit angeschlossenem Souvenirshop, in der man gegen harte U$-Dollar die Waffen des Krieges einmal selbst bedienen durfte.

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Zurück im klimatisierten Bus konnte man sich erstmal von der Hitze etwas erholen und hatte dann die Möglichkeit während eines Photostops vor dem Postgebäude den Bus komplett zu verlassen und auf eigenen Faust, beziehungsweise auf eigenen Füßen, den Rückweg zum Schiff anzutreten.

Direkt am Photostop lag auch das Hotel Rex. Weshalb und wieso es ein besonderes Hotel sein sollte war mir danach immer noch nicht so klar – aber es gehört wohl bei einem Besuch in Saigon dazu dieses Hotel zu besuchen und auf der Dachterasse ein Bier zu Trinken – ich habe mir lediglich ein Photo genehmigt.

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Von dort aus weiter geht es mit einem Pärchen zu der Markthalle. Diese ist relativ ähnlich zu den Markthallen in Bangkok – nur dass Oakley-Brillen offensichtlich Hochsaison haben und von jedem zweiten Händler angeboten werden. Dabei schlagen diese aufgrund ihrer kleinen Größe und vermutlich dadurch bedingten stimmlichen Unterlegenheit mit ihren Händen vorsichtig unter zärtlichen “Mister, Mister” rufen einem auf den Unterarm um auf sich aufmerksam zu machen. Nach dem kurzen Besuch mache ich dann einen kapitalen Fehler: “Kommst du mit uns im Taxi zum Schiff?” “Nee, fahrt ihr mal. Vorher hat einer gesagt, dass kann man locker laufen”

Ich stehe allein in Saigon. Vor mir Motorräder, hinter mir Motorräder. Neben mir Motorräder. Drehe mich noch ein paar Mal im Kreis. Schaue auf die Uhr: 14:16. Fährt das Schiff nicht um 14:30 Uhr ab? Mir wird ohnehin heißer als es schon ist (40 Grad). Entfernung zum Boot laut Reiseführer ca. 30 Minuten. Man muss kein Mathemathikgenie sein um die Berechnung zu Ende zu führen. Ich gehe also auf einen Taxifahrer zu und frage ihn wie teuer es ist zum Cruise Ship Terminal. Er schüttelt nur den Kopf und sagt relativ unverständlich “Taxometer”. Ich wedele mit 10 US-Dollar und versuche ihm klarzumachen, dass ich in Dollarn bezahlen will. “No problem” – nagut. Rein ins Taxi. Die Fahrt endet 14:27 Uhr auf einer Kreuzung vor der Einfahrt des Terminals. Also im Prinzip mitten auf der Straße. “50$ Dollars” “Hm? How much?” Ich mein, den Unterschied zwischen “fifty” und “five” sollte man auch als Taxifahrer prinzipiell verstehen. Ich gebe ihm meinen 10$ Schein. “Nono, fifty!” Ich bekomme das Gefühl, dass ich in Vietnams teuerstem Taxi gelandet bin. “Sorry, I’m not stupid. That’s way too much!” “Fifty. <unverständliches Kauderwelsch in Vietnamesisch>” Ich mache einen kapitalen Fehler. Ich durchsuche meine Taschen und finde einen 20$-Schein und sage ihm “I don’t have this much money” und zeige ihm meinen letzten Schein. Er schnappt ihn sich und steckt sich das komplette Geld in die Hemdtasche. Jetzt werde ich auch etwas ungehalten. Ich meine, dass selbst bei sehr teuren Taxis 30 US-$ etwas zu viel sind für 5 Minuten Fahrt. Ich schaue auf die Uhr. 14:30 Uhr. Ich werde laut und protestiere lautstark. Der Taxifahrer zeigt keine Regung. Er öffnet die Türverriegelung und wartet. Nach weiteren Protesten gibt er mir 5$ Rückggeld zurück und ich mache das in meinen Augen einzig vernünftige. Lieber einen Haufen Gold beim Taxifahrer gelassen, als das Schiff zu verpassen und einen weiteren Tag in dieser Stadt zu verbringen. Ich steige aus und renne zum Schiff.

Die Abfahrt des Schiffes war um 15:00 Uhr. Die anderen haben 5$ bezahlt für die Fahrt. Ich sollte mich in Zukunft wohl besser vorbereiten.

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